von Bernhard Nick
Es war eine Schritt zurück in die Normalität: ein sehr gelungener Familientag mit reger Beteiligung bei wunderbarem Wetter in einer Stadt mit viel Zeller-Geschichte. Der für 2020 geplante Zellertag in Tübingen, den wir pandemiebedingt absagen mußten, wurde so sehr schön nachgeholt.
Tübingen ist für die Familie Zeller ein sehr prägender Ort: Generationen von Zeller-Pfarrern haben im Stift Theologie studiert, bis vor kurzem war Bernhard Leube dort Professor für Kirchenmusik. Unser gemeinsamer Großvater Martin Leube, verheiratet mit Anne Zeller hat eine Geschichte des Stifts verfasst. Ich habe in Tübingen neun sehr schöne Jahre mit Chemiestudium und Promotion verbracht und dort geheiratet. Eva Zeller, die Vorsitzende unseres Zellervereins und der Zellerstiftung lebt in Tübingen.
Zum Familientag trafen wir uns am Hölderlinturm. 2020 war der 150. Geburtstag von Hölderlin und deshalb war das Hölderlin-Museum dort erweitert und neu eingerichtet worden. Hölderlin, der über seine Mutter auch zu unseren entfernteren Verwandten zählt, hat im Hölderlinturm sein halbes Leben verbracht. Eva Zeller, eine wirkliche Hölderlin-Expertin, hat uns Hölderlin bei den Führungen sehr nahe gebracht. Sein Aufwachsen, typisch für eine Familie aus der Ehrbarkeit: nach Landesexamen das Internat in Maulbronn und dann das Theologiestudium im Stift in Tübingen. Dann der Ausbruch, nicht Pfarrer, sondern Hauslehrer, zuerst in Frankfurt, danach in der Schweiz und in Bordeaux, wohin er zu Fuss wanderte. Beeindruckend ist im Museum, wenn man die Räume sieht, in denen er viele Jahre tage- und nächtelang auf und ab ging, dichtend umd reimend. Dann wird verständlich, wie Hölderlins Rhythmen-betonte Dichtungen entstanden, die so anders sind wie die Dichtungen zu seiner Zeit, weder in die Weimarer Klassik noch in die romantische Kategorie passen. Gut dargestellt wird im Hölderlin-Museum auch, wie Hölderlin 1806 für 7 Monate zwar aus damaliger Sicht auf modernste, aus heutiger Sicht unmenschliche Weise als Geisteskranker in Tübingen behandelt wurde. Dann hatte er aber das Glück, im Schreinermeister Ernst Zimmer einen sehr verständnisvollen, auch gebildeten Betreuer zu finden, bei dem er ab 1807 Aufnahme fand. Er war damals 37 Jahre alt und hat noch weitere 37 Jahre im Hölderlin-Turm verbracht, später auch betreut durch dessen Tochter Lotte Zimmer. Es gibt einen neuen Zugang zu seinen Versen, wenn man lernt, dass eine der größten Ausgabeposten für Hölderlin die Besohlung der Schuhe war, die er in seinem kleinen Refugium und im Garten regelmäßig durchlief. Auch erschütternd, dass seine Mutter, die in Nürtingen wohnte, in all den Jahren im Hölderlinturm ihn kein einziges mal besuchte.
Es war ein sehr interessanter Museums-Besuch, auch mit vielen Möglichkeiten zu Gesprächen trotz Corona-Einschränkungen, vielen Dank an Eva Zeller für die Organisation!
Einen italienischen Mittagstisch gab es für die Zeller-Familie ganz zentral in der Begegnungsstätte Hirsch mit viel Zeit für Gespräche. Die Mitgliederversammlung konnten wir dort auch kurz abhalten. Da keine Wahlen anstanden, war die wichtigste Infomation von der Schatzmeisterin unseres Zeller-Verins, Andrea Schmidt, dass unsere Finanzen gut dastehen und wir in der Lage sind, weitere Ausbildungstipendien zu vergeben! Leider konnte ein von uns bewilligtes Auslandsstipendium nicht umgesetzt werden wegen Corona-bedingten Reiserestriktionen. Wir freuen uns, der Zeller-Jugend weitere Schritte zu ermöglichen, Anträge sind jederzeit willkommen!
Am Nachmittag gab es die Wahl zwischen einer Stocherkahntour, sehr einladend bei schönstem Sonnenschein, oder einer Stadtführung. Die Stadtführung ging quer durch Tübingen und die Jahrhunderte: vom Aufbegehren gegen die Rekrutierung junger Schwaben zur Kapitalbeschaffung für den württembergischen Monarchen bis zur Verkehrswende unter dem derzeitigen OB Palmer. Auch sehr schön: mitten in Tübingen gibt es eine Hafengasse, die ganz weit weg vom Neckar liegt. Die Erklärung: In dieser Gasse waren die Topfmacher angesiedelt, auf gut schwäbisch ist ein Topf ein „Häfele“. Wunderbar war es, durch die Gassen in Tübingen zu schlendern, die voller junger Menschen waren.
Im Garten der Begegnungsstätte konnten wir in der Sonne sitzend unseren Familientag ausklingen lassen und uns darüber freuen, wieder reale Menschen in direkten Gesprächen erlebt zu haben. Besonderen Dank an Eva Zeller für die Organisation dieses wunderbaren Zellertags. Ich freue mich auf den nächsten Zellertag im Herbst 2022, der wieder für den Großraum Stuttgart geplant ist.